NameLydia Strakosch
MotherIrma (Maria) Czerwinská (1860-1931)
Notes for Lydia Strakosch
{geni:about_me} [http://www.lexm.uni-hamburg.de/object/lexm_lexmperson_00001697 Lydia Biermann]:

* geb. am 16. Sept. 1887 in Königsberg (Ostpreußen)/Kaliningrad, Deutschland/heute: Russland
* gest. am 30. Juni 1980 in Berlin, BRD/Deutschland, Sängerin, Gesangslehrerin.

Biographie

Lydia Biermann, geb. Strakosch, wurde am 16. Sept. 1887 in Königsberg (Ostpreußen) geboren. Ihre Eltern waren die Opernsänger und Gesangslehrer Ludwig Strakosch und Irma Strakosch, geb. Czerwinská. Ihre Geburtsstadt Königsberg wareine Station in einer Reihe von Engagements, die ihr Vater an verschiedenen deutschen und österreichischen Bühnen absolvierte und die ihn in den folgenden Jahren noch nach Breslau, Hamburg und Köln führen sollte. Ihre Mutter wirkte zum Zeitpunkt ihrer Geburt bereits nur noch als Gesangslehrerin. Mitte der 1890er Jahre nahm die Familie, zu der noch drei Geschwister zählten, Wohnsitz in Wiesbaden. Hier besuchte Lydia bis zur Reife das Lyzeum und erhielt eine Ausbildung in der Gesangsschule ihrer Eltern sowie am Konservatorium der Stadt. Anschließend wurde sie an verschiedenen deutschen Bühnen engagiert.

1915 heiratete sie Richard Biermann, mit dem sie zwei Töchter hatte. Ab 1925 trat sie nicht mehr öffentlich auf, sondern arbeitete ausschließlich als Gesangslehrerin. Zunächst war sie Assistentin und Mitarbeiterin in der Gesangsschule, die ihre Mutter etwa 1910 in Hamburg eröffnet hatte. Diese Arbeit setzte sie auch nach dem Umzug der Gesangsschule Ende der 1920er Jahre nach Berlin fort. Nach dem Tod ihrer Mutter 1931 (der Vater war bereits 1919 verstorben) eröffnete sie in Berlin ein eigenes Gesangsstudio.

Nach dem Machtantritt der Nazis wurde Lydia Biermann zunächst Mitglied in der Reichsmusikkammer. Weil ihrer Vater jüdischer Herkunft gewesen war, wurde sie im Zuge der Massenausschlüsse am 19. Aug. 1935 als so genannte „Halbjüdin“aufgrund von Paragraph 10 der „Ersten Durchführungsverordnung des Reichskulturkammergesetzes“ aus dieser Zwangsberufsorganisation wieder ausgeschlossen. Ihr Mitgliedsausweis wurde noch im selben Jahr eingezogen. Wie sie später inihrem Entschädigungsantrag angab, erzählte sie weder ihren Freunden noch ihren Bekannten und Schülern von diesem Berufsverbot (EBB BiermannL, Bl. E32). Etwas später legte sie Beschwerde gegen den Kammerausschluss ein, wurde damitaber am 28. Apr. 1938 endgültig zurückgewiesen. Bereits am nächsten Tag erhielt die zuständige Ortsmusikerschaft der Reichsmusikkammer den Auftrag, die Einhaltung des Berufsverbots zu überprüfen. Keine drei Wochen später, am 17.Mai 1938, nahm der Kontrollbeamte Erich Woschke in ihrer Wohnung in der Nürnberger Straße 24a eine Hausdurchsuchung vor. Er schrieb anschließend in seinem Kontrollbericht, dass Lydia Biermann mit ihren neunzehn- und zwanzigjährigen Töchtern in einer Zweieinhalbzimmerwohnung lebe, deren Miete von ihrem Bruder gezahlt werde, und dass sie von ihren Schülern monatlich etwa 150 RM an Honoraren erhalte. Da sie zu diesem Zeitpunkt trotz des Berufsverbots noch sieben „arische“ Schüler unterrichtete, veranlasste er am 11. Juni 1938 die Verhängung einer Ordnungsstrafe in Höhe von 200,- RM (BAB BiermannL, Bild-Nr. 502, 510). Weil sie diesen Betrag nicht zahlen konnte, wurde im September 1938ihr Flügel der Marke Goetze beschlagnahmt und mit einem Pfandsiegel versehen. Nachdem ihr Schwiegersohn, der Schauspieler und Kabarettist Walter Gross, 1935 bereits zeitweise inhaftiert gewesen war, geriet nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich auch ihr Bruder, der Schauspieler und Opernregisseur Hunold Strakosch, der 1933 nach Österreich emigriert war, in Bedrängnis. Er wurde am 24. Juni 1938 in das KZ Dachau deportiert und kam dort bereits wenige Tage später, am 1. Juli 1938, zu Tode.

Da Lydia Biermanns Einkünfte völlig wegbrachen, nachdem ihr das Unterrichten verboten worden war, konnte sie in den folgenden Jahren sich und ihre beiden Töchter nur mit Mühe durchbringen und war auf Unterstützung von Verwandten angewiesen. Von ihrem Ehemann ist in diesem Zusammenhang nirgendwo die Rede. Vermutlich waren sie schon seit längerem geschieden.

Am 3. Jan. 1940 wurde die gegen Lydia Biermann erlassene Ordnungsstrafe aufgrund des „Gnadenerlasses des Führers und Reichskanzlers für die Zivilbevölkerung“ vom 9. Sept. 1939 widerrufen. Ob, wie in diesem Zusammenhang angekündigt, auch das Pfandsiegel auf ihrem Flügel entfernt wurde, bleibt unklar (BAB BiermannL, Bl. 520). Infolge der Bombardierung Berlins wurde ihre Wohnung samt allen Einrichtungsgegenständen 1943 schließlich zerstört. Wie sie die Zeit bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs verbrachte, ist nicht bekannt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wohnte Lydia Biermann im Steinrückweg 7 in Berlin-Wilmersdorf. Sie nahm ihre Unterrichtstätigkeit wieder auf und eröffnete mit Hilfe von Kollegen ein eigenes Studio. Nach der Währungsreform 1949 musste sie dieses allerdings zeitweise schließen, da niemand Geld für Gesangsunterricht übrig hatte und sie selbst nicht in der Lage war, für ihren Unterricht Werbung zu machen. Sie bestritt in dieser Zeit ihren Lebensunterhaltmit Hilfe einer kleinen Privatrente sowie mit Hilfe von Zuwendungen ihrer Tochter Ruth-Marie Biermann und ihres Schwiegersohns Walter Gross. Das Hauptschulamt des Senators für Volksbildung der Stadt Berlin stellte ihr im Mai 1951wieder einen Unterrichtserlaubnisschein aus. Nach und nach nahm sie in den folgenden Jahren ihre Unterrichtstätigkeit wieder auf.

1948 wurde Lydia Biermann als „Opfer des Faschismus“ anerkannt (CJB BiermannL). Anfang der 1950er Jahre stellte sie beim Entschädigungsamt Berlin einen Antrag auf Entschädigung als „rassisch“ Verfolgte. Da sie nur über einen geliehenen Flügel verfügte, beantragte sie u. a. für die Anschaffung eines eigenen Flügels eine Vorschusszahlung, bis sie nach dem Abschluss eines Vergleichs schließlich eine Rente zugesprochen bekam. Nach einem Unfall in den 1960er Jahren erhielt sie außerdem Zuwendungen aus einem Härtefond für „rassisch“ Verfolgte nichtjüdischen Glaubens (EBB BiermannL, Bl. M80). Lydia Biermann starb am 30. Juni 1980 in Berlin.

Hauptquellen: EBB BiermannL

Personendaten

* Hauptname: Biermann, Lydia
* Geburtsname: Strakosch, Lydia
* Weitere Namen: Biermann-Strakosch, Lydia
* geboren: 16. Sept. 1887 Königsberg (Ostpreußen)/heute: Kaliningrad, Deutschland/heute: Russland
* gestorben: 30. Juni 1980 Berlin, BRD/Deutschland
* Mutter: Irma (Maria) Strakosch, geb. Czerwinská (geb. 6. Jan. 1860 Prag, gest. 22. Aug. 1931 Hamburg), Opernsängerin, Gesangslehrerin, katholisch
* Vater: Ludwig Strakosch (geb. 1. Nov. 1855 Brünn, gest. 14. Okt. 1919 Hamburg), Opernsänger (Bariton), Gesangslehrer, jüdisch
* Geschwister: 1 Schwester und 2 Brüder, darunter: Hunold Strakosch (geb. 4. März 1886 Danzig, gest. 1. Juli 1938 KZ Dachau), Schauspieler, Opernregisseur, 24. Juni 1938 Deportation in das KZ Dachau, ∞ Camilla Strakosch, geb. Borél (geb. um 1890), Operettensoubrette, Opernsängerin (TrappF u. a. 1999, Bd. 2, T. 2, S. 917, http://www.doew.at/)
* Ehe/Partnerschaft: ∞ 1915 Richard Biermann, Scheidung?
* Kinder: Ingeborg (Inge) Gross, geb. Biermann, Schauspielerin, Mitglied in der Reichskulturkammer, ∞ Walter Gross (geb. 5. Febr. 1904 Eberswalde, gest. 17. Mai 1989 Berlin), Schauspieler, Kabarettist, 1935 zeitweise Inhaftierungim Gefängnis Columbiastraße Berlin und im KZ Esterwegen, später Gerichtsverfahren aufgrund des „Heimtückegesetzes“, Freispruch (TrappF u. a. 1999, Bd. 2, T. 1, S. 346) – Ruth-Marie Biermann, Tänzerin, Mitglied in der Reichskulturkammer
* Muttersprache: Deutsch?
* Religionszugehörigkeit: römisch-katholisch
* Staatsangehörigkeit: deutsch
* Grabstätte: ?
* Berufe/Tätigkeiten
* Überblick: Sängerin, Gesangslehrerin
* Anstellung/Mitwirkung/Gründung:
* Musikschulen: Hamburg: Gesangsschule Irma Strakosch, Berlin: Gesangsschule Irma Strakosch, Gesangsstudio Lydia Biermann
* Mitgliedschaften: Reichsmusikkammer (Mitgliedsnummer 9.141, 1935/1938 Ausschluss)
* Verfolgung/Exil

Gründe: „rassische“ Verfolgung
Schlagwörter: Berufseinschränkung, Juden, Ordnungsstrafe der Reichsmusikkammer, Reichskulturkammer, Wiedergutmachung/Entschädigung
Stationen:
19. Aug. 1935
Ausschluss aus der Reichsmusikkammer, Berufsverbot
28. April 1938
Kontrollbesuch durch den Mitarbeiter der Reichsmusikkammer Erich Woschke und Feststellung eines Verstoßes gegen das Berufsverbot
11. Juni 1938
Verhängung einer Ordnungsstrafe in Höhe von 200,- RM durch die Reichsmusikkammer
September 1938
Pfändung ihres Flügels
3. Jan. 1940
Aufhebung der Ordnungsstrafe aufgrund des „Gnadenerlasses des Führers und Reichskanzlers für die Zivilbevölkerung“ vom 9. Sept. 1939
Quellen

Archive

BAB BiermannL
Bundesarchiv, Berlin, http://www.bundesarchiv.de/: enthält: Namensliste „nichtarischer“ Musiker mit Mitgliedsnummern in der RMK 1935 (Sign.: R 56 II/15), Reichskulturkammerakte von Lydia Biermann (Sign.: ehem. BDC, RK R 3, Bild-Nr. 492-524).
CJB BiermannL
Centrum Judaicum – Stiftung Neue Synagoge Berlin, http://www.cjudaicum.de/: enthält: Informationen zu Lydia Biermann (Sign.: CJA, 4.1 Kartei der Opfer des Faschismus).
EBB BiermannL
Entschädigungsbehörde Berlin, Landesverwaltungsamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Abt.1, http://www.berlin.de/labo/entschaedigungsbehoerde/dienststelle/: enthält: Entschädigungsakte Lydia Biermann (Sign.: Reg.-Nr. 5.993).
NS-Publikationen

BrücknerH/RockCM 1938
Judentum und Musik – mit einem ABC jüdischer und nichtarischer Musikbeflissener, Hans Brückner, Christa Maria Rock (Hg.), 3. Aufl., München: Brückner, 1938, (1. Aufl. 1935, 2. Aufl. 1936, antisemitische Publikation).
StengelT/GerigkH 1941
Lexikon der Juden in der Musik. Mit einem Titelverzeichnis jüdischer Werke. Zusammengestellt im Auftrag der Reichsleitung der NSDAP auf Grund behördlicher, parteiamtlich geprüfter Unterlagen, Theo Stengel, Herbert Gerigk (Bearb.),(= Veröffentlichungen des Instituts der NSDAP zur Erforschung der Judenfrage, Bd. 2), Berlin: Bernhard Hahnefeld, 1941, (1. Aufl. 1940, antisemitische Publikation).
Links

http://www.bibliothek.uni-regensburg.de/dbinfo/ein...27&titel_id=3171 (Stand: 30. Jan. 2007)
World Biographical Information System

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Sophie Fetthauer (2007, aktualisiert am 3. Febr. 2009)

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Last Modified 10 Jan 2015Created 10 Jun 2015 using Reunion for Macintosh